Primi Passi

Ziel des Modellprojektes war es, Erkenntnisse über die Angemessenheit einer Gehstruktur im Zusammenhang mit der besonderen Situation trauernder Eltern sowie über die Wirksamkeit der gewählten Vorgehensweise des Modellvorhabens zu erlangen.

Gegenstand des Projekts

Der Verlust eines nahe stehenden Menschen ist eine tief greifende Erfahrung und stellt für die Betroffenen eine gravierende Belastungssituation dar. Der Tod des eigenen Kindes aber erscheint - unabhängig von der Todesursache - als besonders unfassbarer, unüberwindbarer Verlust. Ohne Hilfestellung durch andere kann die notwendige innere Auseinandersetzung mit dem Verlust häufig nicht stattfinden. Dabei ist vielen Erfahrungsberichten zu Folge gerade eine frühzeitige Auseinandersetzung mit der traumatischen Situation nötig, um zentrale Bewältigungsprozesse wie vor allem das Abschiednehmen vom toten Kind einzuleiten. Hier ist eine psychosoziale Unterstützung von außen um so wertvoller, je früher sie greift: Eine aktuelle dänische Studie belegt, dass insbesondere Mütter, aber auch Väter nach dem frühzeitigen Verlust eines Kindes deutlich höhere Mortalitäts- und Suizidraten aufweisen als Eltern, deren Kinder noch leben.

Die Selbsthilfeorganisation "Verwaiste Eltern München e.V." bietet seit Jahren betroffenen Müttern, Vätern und Geschwistern Unterstützung und Begleitung in Trauergruppen, Seminaren und Einzelberatungen an ("Kommstruktur").

Im Rahmen eines Modellprojekts wurde nun neben den bestehenden Angeboten zur Trauerbewältigung eine Gehstruktur aufgebaut, die neubetroffenen Eltern aus dem Stadtgebiet München eine sofortige Unterstützung anbietet: Ehrenamtliche Mitarbeiter(innen) aus dem Kreis verwaister Eltern gehen - nach einer entsprechenden Ausbildung und Vorbereitung - auf neubetroffene Familien zu und stehen ihnen, wenn sie dies wünschen, in den besonders schwierigen ersten Tagen und Wochen für Begleitung und Unterstützung zur Seite. Initiiert wurde das Projekt "Primi Passi" von selbst betroffenen Müttern und Vätern, die aus eigener Erfahrung um die Tragik und die besonderen Probleme und Anforderungen in einer solchen Situation wissen.

Mit der wissenschaftlichen Begleitung des in Deutschland in dieser Form einmaligen Projekts wurde das ifb beauftragt.

Methodisches Vorgehen

Das Modellprojekt Primi Passi ist in einem Themenbereich angesiedelt, der bislang relativ wenig empirisch erforscht ist. Aus diesem Grund konnte für die wissenschaftliche Begleitung nicht auf existierende standardisierte Erhebungs- und Auswertungsverfahren zurückgegriffen werden. Zudem ließen die besonderen Rahmenbedingungen des Projekts, zu denen auch die Beschränkung auf das Stadtgebiet München gehörte, relativ geringe Fallzahlen erwarten. Daher wurde eine primär qualitative Herangehensweise gewählt, die sich neben einer Inhaltsanalyse von Protokollen und Dokumentationen insbesondere auf narrative, teilstrukturierte Interviews mit Betroffenen und Expert(inn)en stützt.

Das methodische Vorgehen umfasste u.a. folgende Komponenten:

  1. Erarbeitung und Umsetzung eines Einsatzdokumentationsbogens für die Erfassung der Begleitungen während der Projektlaufzeit (gemeinsam mit dem Modellträger)
  2. Interviews mit haupt-, neben- und ehrenamtlichen Mitarbeiter(inne)n sowie mit Expert(inn)en
  3. Interviews mit neu betroffenen Eltern, die im Rahmen von Primi Passi begleitet wurdennach oben
Treppe
Projektinfo

Auftraggeber: Bayerisches Staatsministerium für Arbeit und Sozialordnung, Familie und Frauen.

Laufzeit: 1/2004 bis 04/2007

Projektleitung: Dr. Adelheid Smolka

Projektbearbeitung: Dr. Adelheid Smolka, Dipl.-Soz. Julia Rüdiger

Veröffentlichungen

Smolka, Adelheid/Rüdiger, Julia (2007): Primi Passi – Erste Schritte. Ein Modellprojekt des Vereins Verwaiste Eltern München e.V. Abschlussbericht der wissenschaftlichen Begleitung. Bamberg: Staatsinstitut für Familienforschung, ifb-Materialien 2-2007.