Familienbilder, Einstellungen zur Berufstätigkeit und weibliche Erwerbsbeteiligung

Dieses Projekt widmet sich der Problematik der Vereinbarkeit von Familie und Erwerbstätigkeit aus der familiensoziologischen Perspektive und zeigt die Zusammenhänge von gesellschaftlichen Normen, Familienleitbildern und den Berufsverläufen von Müttern und Vätern auf.

Gegenstand der Untersuchung

Im Laufe der letzten Jahrhunderte haben sich die Bedingungen und Formen familialen Zusammenlebens stark verändert. Entsprechend haben sich auch die Bilder und Vorstellungen gewandelt, welche die Menschen und die Wissenschaft mit dem Begriff "Familie" in Verbindung bringen. Dass dabei die wissenschaftliche Perspektive nicht immer zwingend mit den tatsächlichen Lebensverhältnissen und Alltagswahrnehmungen der Menschen übereinstimmen muss, wurde in der neueren sozialhistorischen Forschung an vielen Stellen gezeigt. Dennoch bieten wissenschaftliche Erkenntnisse über die Veränderung des Familienlebens eine gute Ausgangsposition und Diskussionsgrundlage, um sich mit den Prozessen familialen Wandels auseinander zu setzen.

Eine in den letzten Jahren populär gewordene These ist die Behauptung, dass die Arbeitsteilung in der Familie immer weniger einer gesellschaftlich institutionalisierten und relativ starren geschlechtsspezifischen Logik folgt. Im Verlauf der Modernisierung wurde die Präferenz einer polaren Geschlechtsrollendifferenzierung durch die Idee eines neuen, "modernen" Geschlechterverhältnisses ersetzt, das auf Gleichheits- und Gerechtigkeitserwartungen basiert. Damit einher geht die Annahme, dass die konkrete Ausgestaltung einer Beziehung von den beteiligten Partnern über einen Abgleich individueller Interessen ausgehandelt wird.

Dieser Wandel des Geschlechterverhältnisses von "polar" zu "partnerschaftlich" wird mit einer Reihe von korrespondierenden Prozessen in Verbindung gebracht, von denen angenommen wird, dass sie wechselseitig aufeinander wirken. Dabei handelt es sich um Entwicklungen, die häufig als "Individualisierungsprozesse" gedeutet werden. Unter diesem Etikett werden all jene Prozesse subsumiert, die zu einer Ausdehnung der sozialen Rechte der Frau beigetragen haben: die Bildungsexpansion, die allgemeine Zunahme des Wohlstandes und ein tiefgreifender Wandel gesellschaftlicher Werte und individueller Einstellungen.

Dass sich die zunehmende Angleichung von Frauen und Männern nicht zwangsläufig in größere Geschlechtergleichheit umsetzen lässt, kann man z. B. daran erkennen, dass die Diskussion um die Problematik der "Vereinbarkeit von Familie und Erwerbstätigkeit" ein Dauerbrenner in der wissenschaftlichen und gesellschaftspolitischen Diskussion geworden ist. In diesem Zusammenhang rückt - besonders in der familiensoziologischen Forschung - die Gestaltung des familialen Alltags als wesentliche Determinante der Vereinbarkeitsproblematik in den Mittelpunkt des Interesses. Häufig wird der oftmals geringe Beitrag der Männer an der Haushalts- und Familienarbeit als Ursache für die ausbleibende Modernisierung des Geschlechterverhältnisses ausgemacht: Frauen seien die "Leidtragenden" und Männer die "Verursacher" des Problems, das sich darin äußert, dass Frauen die alleinige Verantwortung für Haushalt und Kinder zu tragen haben, egal, ob sie berufstätig sind oder sein wollen; die Männer hingegen erfüllen bereits ihre Funktion als "guter" Ehemann oder Familienvater, wenn sie durch ihre Erwerbstätigkeit die Familie materiell versorgen können.

Der Staat versucht in diesem Kontext, über familienpolitische Maßnahmen wie Erziehungsgeld und Elternzeit, den Familien dabei Hilfestellungen zu geben, die Wirtschaft hat das familienfreundliche Unternehmen als erfolgversprechendes Modell für die Zukunft entdeckt und lokale Bündnisse für Familien versuchen auf regionaler Ebene Vereinbarkeitsprobleme zu beseitigen. Die große Zauberformel heißt hier "Wahlfreiheit", die es für die Familien zu schaffen gilt. Individuell zufriedenstellende Lösungen der Vereinbarkeit von Familie und Beruf für Paare schaffen entspannte Eltern und zufriedene Arbeitnehmer - so die These. Manchmal wird damit sogar die Hoffnung auf zukünftig höhere Geburtenraten verknüpft.

Doch die Aufteilung von Erwerbstätigkeit, Kinderbetreuung und -erziehung und Hausarbeit zwischen Mutter und Vater hängt nicht nur von staatlichen Transferleistungen, den äußeren Bedingungen der Arbeitswelt und den Kinderbetreuungsmöglichkeiten ab. Entscheidend sind auch die Familienbilder und Rollenkonzepte, welche die beteiligten Hauptakteure, nämlich die Eltern, internalisiert haben und welche Lösungen von ihnen auf der Basis dieser Einstellungen und Werthaltungen präferiert werden.

Anhand empirischer Studien und Reanalysen repräsentativer Datensätze werden die Erwerbsbiografien von Eltern nach dem Übergang zur Elternschaft aufgezeigt und im Kontext ihrer Rahmenbedingungen diskutiert. Dabei wird sichtbar, dass eine Abkehr von der, seit der Nachkriegszeit in den alten Bundesländern dominanten, "traditionellen Rollenstruktur" - nach dem Muster "Male Breadwinner/Female Homemaker" - zumindest in Westdeutschland nur sehr langsam erfolgt und die Vereinbarkeit von Familie und Beruf nach wie vor ein Problem ist, das sich überwiegend Müttern stellt.

Die Ergebnisse zeigen, dass, im Widerspruch zu den Erwartungen, die aus theoretischer Perspektive abgleitet werden können, eine starke Beharrlichkeit traditioneller Lösungen bei der Vereinbarkeit von Familie und Erwerbstätigkeit in Westdeutschland zu beobachten ist. Von der Theoriebildung bislang weitgehend vernachlässigt, erscheinen die Familienleitbilder mit ihrer Rückbindung an gesellschaftliche Normen, Rollenkonzepte und Institutionen, sowie Gelegenheitsstrukturen als die wesentlichen Determinanten des Familienlebens. Die daraus abgeleiteten Einstellungen und Werthaltungen der beteiligten Akteure bestimmen maßgeblich die Arbeitsteilung in der Familie und die Erwerbsverläufe von Müttern und Vätern nach dem Übergang zur Elternschaft.nach oben

Projektinfo

Das Projekt wurde gefördert durch das Bayerische Staatsministerium für Arbeit und Sozialordnung, Familie und Frauen.

Laufzeit: 04/2004 bis 12/2005

Projektleitung und -bearbeitung: Dr. Tanja Mühling, Dipl.-Soz. Harald Rost, Dr. Marina Rupp, Dipl.-Soz. Florian Schulz

Veröffentlichungen

Tanja Mühling, Harald Rost, Marina Rupp & Florian Schulz (2006): Kontinuität trotz Wandel. Die Bedeutung traditioneller Familienleitbilder für die Berufsverläufe von Müttern und Vätern. Weinhein; München: Juventa Verlag.